Mittwoch, 23. Oktober 2013

Prof. Amann Die Karthager 2. Sitzung 3.11.2009


3. 11.2009

ANFÄNGE KARTHAGOS

Laut der antiken Überlieferung beginnt die Geschichte Karthagos im 12. Jahrhundert v. Chr.

Prokoloniale Phase (Händler, Erkundungen), günstigste Plätze gesucht. Kontore…)

9. Jahrhundert v. Chr. Kolonisation

Mógador, Marokko, Insel, archäologisch erwiesen

Golf von Tunis:
Auch in der Antike klimatisch begünstigt
Landwirtschaftszone
Extrem gut gelegen, zentrales Mittelmeer zu erschließen (Sizilien, Sardinien, Etruskisches Mittelitalien)

1.Kolonie Utica
Westseite des Golfes auf einer Landzunge, heute verlandet, von Tyros aus gegründet laut der antiken Überlieferung, sehr alt, angeblich wie Gadír gegründet um 1100 v. Chr.

Herodot?, Historien, 16. 216?

Memorabilia auscult. des Aristoteles 134

Älteste Funde im 7. Jahrhundert (Nekropole)

Siedlung nicht entdeckt

1100 vielleicht erste Erkundung, Kontor, einfache Holzhäuser

30 Kilometer Luftlinie südlich davon
KARTHAGO, gegründet spätes 9- oder frühes 8. Jahrhundert
Der Überlieferung nach von Tyros aus

qart    adášt
Stadt  neu

Griechisch Karchdwn (Betonung: Akut auf dem Omega)

Lateinisch Carthago

Name vielleicht über aramäische Vermittlung eines phönikischen Namens

Programmatischer Name, bewusst angelegte neue Kolonie

Mehrere Qart Hadashts in Sardinien, Spanien, Zypern&
Gründe für die Gründung nicht ganz klar, umso mehr, als es schon eine ältere phönikische Kolonie in der Nähe gegeben hat (Utica)

Utica grie. Itikh
Betonung auf der ersten Silbe

Keine Metallvorkommen in der Nähe

Nicht an einem F汵獳⁷楥
Fluss wie Utica gelegen



Vermutliche Gründe:
Gute verkehrstechnische Lage, Scharnier zwischen Ost- und Westmittelmeer
Sehr geschützte Lage für einen Hafen, Golf stark geschützt vor nordostafrikanischen Strömungen
Geeignet für phönikische Siedlung
Landzunge, Halbinsel d. h. möglichst vom Meer umschlossen

Kopien:
Kleiner Kartenausschnitt Karthago und Umgebung, antiker Küstenverlauf
Utica, Landesinneres heute

Karthago Halbinsel, im Norden von Lagune begrenzt, im Süden See von Tunis

Einziger Zugang im Westen durch Hügelkette gut geschützt

Karthago hatte guten Kontakt zu den einheimischen libyschen Völkern

Möglicher Grund für die Gründung: Handel mit den Libyern

Nordafrika sehr reich

Zeigt sich im Gründungsmythos

Das antike Karthago liegt an der Stelle des heutigen Carthage, des Villenvorortes nordöstlich von Tunis

Ausgrabungstechnisch:
Gegraben wird seit dem 19. Jahrhundert (Frankreich, Deutschland = auch Siedlung), Großbritannien, USA = Tóphet, Hafen)

Gründungsdatum

Verschiedene Überlieferungen (nicht erstaunlich, auch beim besser dokumentierten Rom verschiedene Daten, die über Jahrhunderte differieren).

Quellen: Ungefähr 25 antike Autoren

3 große Erzählstränge, die die meisten Autoren verwenden

1. Philístos von Syrakus, 5. Jahrhundert v. Chr.
Kurz vor dem trojanischen Krieg, da. 1215/1200, kein historisches Gewicht, Versuch, frühe Gründungen zu systematisieren und mit dem Trojanischen Krieg in Beziehung zu setzen.

Sizilien: Autoren naturgemäß großes Interesse wegen der Konfrontationen

Zwischen 2 und 3 gewisse Übereinstimmungen, benutzen Großteil der Quellen

2. Timaios von Tauromenion/Taormina, Sizilien (4./3. Jahrhundert)
38 Jahre vor den ersten Olympischen Spielen 776 v. Chr., typische griechische Jahresangabe
Und
Dionysios von Halikarnassos, 1,74,1?

3. Menándros von Éphesos, wahrscheinlich 2. Jahrhundert v. Chr., Stadtchronik von Tyros vom Phönikischen ins Griechische übersetzt, verwendet von Flavius Josephus für seine Werke im 1. Jahrhundert nach Christus, gegen Apion 1, 18
Karthago angeblich im 155. Jahr nach Beginn der Königsherrschaft in Tyros = im 7. Jahr des Königs Pygmalion = Quellen nicht einheitlich bei den Angaben der Regierungszeiten der Herrscher, wahrscheinlich 825/820
„Orientalischer Überlieferungsstrang“

In den Quellen: Karthago älter als Rom, wenige anderer Meinung (u. a. Cicero: patriotische Aussage), je älter eine Stadt in der Antike war, desto prestigeträchtiger war sie.

Interessant: Frauenfigur spielte eine zentrale Rolle: tyrische Prinzessin Elissa oder Dido (letzterer im wesentlichen von Vergil verwendet).

Der Name Elissa in älteren Quellen, echt phönikischer Name, gut beheimatet im phönikischen Onomastikon

Tochter eines tyrischen Königs Mútto, Bruder Pýgmalion, der nach dem Tod des Königs dessen Nachfolger wird, Elissa verheiratet mit Onkel Sychaeus

Öfters der nächste männliche Verwandte des Vaters geheiratet.

Der Onkel ist sehr reich

Pygmalion lässt seinen Schwager aus Neid ermorden.

Elissa ertrug den Zustand eine Zeitlang, später flieht sie, da Pygmalion ihr Erbe vom Ehemann haben will, über Zypern nach Nordfrika

Motiv des Reichtums, des reichen Phönikers

Politisch motivierte Auswanderung

Und sacra am Melqarttempels (sakrale Legitimation einer Kontinuität an einem neuen Ort)

Elissa kauft Land

Die Libyer sind freundlich, verkaufen Land, da sie am Handel mit den Phönikern interessiert sind.

An der ursprünglichen Stelle für die Anlage der Stadt findet sich ein Ochsenschädel (bedeutet Prosperität, jedoch spätere Versklavung), daher wurde ein anderer Ort für die Gründung gesucht, dort fand sich ein Pferdeschädel (besonders günstiges Omen, große Macht, kriegerisches Volk), an dieser Stelle erfolgte die Gründung Karthagos

Die Phöniker aus Utica erweisen Elissa Ehrerbietung und bringen Waren zum Tausch (auch bei den Einheimischen)

Der afrikanische Name der Elissa ist Deido/Dido, sie hat neuen Namen erhalten (die Herumirrende)

Menandros?

Längste bei Justinos, 3. Jahrhundert n. Chr., 18, 4 – 6 (Zusammenfassung von Pompeius Trogus,1. Jahrhundert/augusteische Zeit, Zusammenfassung eines Werkes über alle Völker, auf ein Sechstel des Umfangs gekürzt)

Strang von Vergil: Aeneas, Dido, augusteische Zeit (punisches Karthago längst zerstört, nicht mehr existent). Schilderung bezieht sich eher auf das römische Karthago, greift ältere Elemente auf, verknüpft Elissa mit Aeneas, dem Vorfahren, der Rom-Gründer zum ersten Mal, vorher war dies völlig unbekannt, ist reine dichterische Freiheit, beide wurden zu einem der größten tragischen Liebespaare
Grund gesucht für spätere Feindschaft zwischen Rom und KarthagoVerg. Aen. 1, 340ff. (von Dr. Amann vorgelesen aus der Reclamausgabe).
Vgl. mit der Justin-Stelle.
Aeneas an der karthagischen Küste gelandet
Gatte verschiedene Namen, u. a. Sychaeus
Pygmalion Herrscher, besonders verrucht
Byrsa: Haut des Stieres (Leser versteht Symbole)

Reich an verschiedenen Elementen
Phönikisches Element: Namen Pygmalion, Elissa, Tyros-Gründung, Stopp auf Zypern (Astartetempel, heilige Prostitution)
Karthagisches Element: Pferdeschädel (Pferdekopf Hauptzeichen karthagischer Münzen, Legende vom Pferdeschädel nachträglich ausgebaut)
Griechisches Element: Stierhaut (Überlieferung: Elissa kauft so viel Land für die Gründung Karthagos, wie man mit einer Stierhaut umfassen? Kann, schneidet es in ganz dünne Streifen, aneinandergereiht ca. 4000 m Durchmesser
Etymologie von byrsa: búrsa: Haut eines Stieres/Ochsen, Leder

Býrsa: Stadthügel von Karthago, Zentrum des hellenistischen und römischen Karthagos
Semitischer Name nicht deutbar
Tricks, mit denen Einheimischer hereingelegt werden mehrfach in der Literatur z. B. Odyssee, soll Überlegenheit der Kolonisatoren zeigen
Stetig angereichert
Vermutlich historischer Kern
Verweis auf das ältere Utica (schon vor der Gründung Karthagos existent)
Ort, der nicht im vorhinein geplant war, zum Verweilen geplant, von Utica Gründung vor Karthago überliefert

Tod auf dem Scheiterhaufen: Entsprechung zu Herakles, Entwicklung in höhere Sphären
Vergil 4. Gesang Aeneis, Trauer um die Abreise des Aeneas
Andere: Heirat mit libyschem Fürsten abgelehnt (Heirat oder Krieg)
Möglich: Elissa-Kult in Karthago

Archäologie:
Seit den deutschen Ausgrabungen 1983 sehr alte archäologische Siedlungsreste in Karthago gefunden, vor allem östlich und südlich der Byrsa
Ebene Zone, meernahe
Dahinter Hügelkette u. a. Byrsa
Älteste Siedlungen in der Ebene östlich der Byrsa, Hausgrundrisse, Steinbauten
Spätes 9. Jahrhundert: archäologisch nicht direkt belegt, aber wahrscheinlich, best. Anlagen aus Holz
Zentrum wahrscheinlich auch Byrsahügel selbst

Ausrichtung der Häuser: Regelmäßigkeiten, rechteckiges regelmäßiges Straßensystem = orthogonales („rechteckiges“) System, auch in Griechenland
Grabungsniveaus des 8. Jahrhunderts

Metallurgisch: Eisen

Purpurschnecken

Byrsa: wahrscheinlich erste Heiligtümer in der Art einer Akropolis (erhöhte Lage), gesamte Hügelgruppe von den Römern auf 56 m planiert und abgetragen im 2. Jahrhundert nach? Christus, Befund zerstört.
Möglich: älteste Siedlung

Frühes 8. Jahrhundert Siedlung in der Ebene (Legende: Ochsen- und Pferdeschädel)
Byrsa ungünstig

Nektropole des 7. Jahrhunderts
Byrsa 4./3. Jahrhundert Handwerkszone, Manufakturen
2. Jahrhundert (hellenistische Zeit) Wohnquartiere

Im Süden der Siedlung: Heiliger Opferbezirk
Tóphet (Opferbezirk)
Am Rande einer phönikischen/karthagischen Siedlung, zeigt maximale Südausdehnung der Stadt
Älteste Frequenz                                                   
3. Viertel des 8. Jahrhunderts (750 – 25)
In Tonurnen wahrscheinlich für Kinderbestattungen (siehe Urnen auf der Kopie)
Phönikisches Keramikmaterial
Einige reichere Funde, reiches Keramikmaterial, Schmuck (Ketten, ägyptische Amulette, Elfenbeinerzeugnisse…) weisen auf eine begüterte Oberschicht hin
Griechische Importe (Keramik aus Euböa in Mittelgriechenland, in der frühgriechischen Kolonisation sehr aktiv) zeigen Kontakte zu griechischen Händlern
1 Amphore mit typisch phönikischer Form, jedoch griechischer Dekoration: stilisierte Vögel, die auf Euböa hinweisen: lokale Werkstatt eines griechischen Handwerkers aus Euböa in Karthago, der arbeitete für eine phönikisch/karthagische Klientel in der Oberschicht, zeigt die frühe Attraktivität des Standortes Karthago für die griechischen Händler und Handwerker

Ähnlich Etrurien


Unbekannte Lage des archaischen Hafens (im Norden oder Süden?), früher Hafen keine monumentalen Strukturen, somit praktisch nicht archäologisch nachweisbar, monumentale Strukturen ab dem 5. Jahrhundert

Klassische Periode: in Karthago im Süden beim Tophet
Wahrscheinlich im 4. Jahrhundert neue Hafenbecken (Handels- und Kriegshafen)
Karthago berühmt für seine 2 Häfen
Runder Kriegshafen im Norden, rechteckiger Handelshafen im Süden durch die US-Grabungen nachgewiesen

Nekropole:
Bessere Informationen
Auf den Hügelhängen hinter der Stadt (Byrsa, Iunohügel, Douimes)
Iunohügel: Bezeichnung erst seit dem 19. Jahrhundert, keine wissenschaftliche Bedeutung des Namens
Nekropole Evidenzen nach dem 7. Jahrhundert relativ stark zunehmend vor allem im Norden
Reiche Gräber (jetzt spätestens aristokratische Oberschicht)
Douimes-Norden eine der großen archaischen Nekropolen
1100 Gräber freigelegt
Ende des 19. Jahrhunderts, schlecht dokumentiert
Besser ? Grab, 1894 entdeckt, Eingangstür, Grabkammer 2,5 x 1,5 Meter, Höhe 1,44 Meter, innen mit weißem Stuck ausgekleidet, Holzdecke, 2 Erdbestattungen, reicher Aristokrat mit seiner Frau, reichlich Essen und Trinken, korinthisches Gefäß aus der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts, Schmuck aus Silber, Gold und Halbedelsteinen, Goldanhänger oben rechts auf der Kopie mit einer phönikischen Inschrift
Aus Karthago Anfang des 7. Jahrhunderts
Passt gut
Kettenanhänger für den Mann
Interpretation umstritten, gut lesbar
Anrufung von Gottheiten (Astarte, Gott Pygmalion)
Yada´milk (Grabeigner, Mann), Sohn des…
Name bedeutet, dass es sich um einen wichtigen Mann handelt

Nekropole: Elfenbein, Fächer, Kannen, Straußeneiergefäße
Typisch für die orientalisierende Periode (Etrurien, Griechenland…)
Prestigeobjekte für die Oberschicht, vermittelt von den Phönikern aus dem Orient

Urne mit kurzer Grabinschrift zeitgleich mit Yada´milk 1. Hälfte 7. Jahrhundert

Nekropole auf der Byrsa: 100 Gräber bekannt
Hellenistische und römische Stadt
nur vereinzelte Sondagen möglich
wesentlich einfacher, nicht so schön ausgestattet (handwerkliche Mittelschicht)
alles ungefähr auf gleichem Niveau (typisch für städtische Mittelschicht)
Keramikbeilegen, nichts Teures
Einige wenige Brandbestattungen (eingewanderte Orientalen, wegen besonderer Fähigkeiten in Karthago integriert)
8./7. Jahrhundert Quellen eher schlecht
Fast nur Gründungsmythenliteratur
Wenige phönikische Inschriften

Archäologie:
7. Jahrhundert stabile Hierarchie
Bescheidene urbane Organisation

Nächste: 6. Jahrhundert